Sonntag, 18. September 2011

18.09.2011

Siege, aber triumphiere nicht!
             Marie von Ebner-Eschenbach

Hi BoaHly,

ich freue mich so, dass die Anspannung bei Dir vorbei ist und Du Dich wieder voll den schönen Seiten des Lebens widmen kannst. Und ich meine dabei ausdrücklich nicht nur das weibliche Geschlecht ...

Gut übrigens, dass Du Dir die erkämpfte Medaille nicht umhängst. Das ist echt nur was für Frauen (erkennst Du den Wink mit dem Zaunpfahl oder muss ich deutlicher werden?). Wir haben bislang noch nicht mal unsere Urkunde bekommen, bei uns gibt es die erst auf der Weihnachtsfeier. Als Lohn für das Warten haben wir aber schon den Termin für die Hundewanderung (Menschen dürfen auch mit, haben aber nicht viel zu sagen) bekommen, darauf freue ich mich schon sehr.

Weil Du erzählt hast, dass Du etwas lahm während der Prüfung warst, das ging mir genauso. Und es gibt auch einen Grund dafür: "Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform" weiß zumindest William Sommerset Maugham. Bei uns Hunden ist es ähnlich.

Wobei ich im Moment ein echtes Leistungshoch habe. Ich bin ganz vernarrt ins Longieren. Es macht einen Riesenspaß, um den Kreis herum zu fegen. Selbst wenn ich mal den Anschluss ans Frauchen verloren habe, laufe ich lieber die längere Strecke um es wieder zu erreichen. Dann ändert mein Frauchen die Richtung und schon eile ich wieder los. Bin explizit gelobt worden, mit Streicheleinheiten von der Lehrerin. Das "Bumm", das erklang, als Euch bei bestandener Prüfung der Stein vom Herzen fiel, war nur ein "Puff" gegen den Knall, als mein Frauchen wegen des Lobes vor Stolz platzte.

Einmal, als mein Frauchen schon fast in der Mitte stand und mich dirigierte, blieb ich kurz stehen. Darauf versuchte sie, mich durch Motivation (Schwenken des Spiezeugs, seltsame Verrenkungen, Ausstoßen von Lauten) wieder in Bewegung zu bringen. Ich konnte sie aber nur anstarren. Auch da wurde ich in höchsten Tönen gelobt, weil ich außerhalb der Tabu-Zone blieb, trotz des Verhaltens. Poahly, zu Dir bin ich ehrlich, ich bin nicht trotz des albernen Verhaltens außerhalb des Kreises geblieben, sondern gerade deshalb. Das Frauchen war soo megapeinlich, ich wollte nur nicht zugeben, dass es zu mir gehört.

Wir haben angefangen, auf Bitten unserer Frauchen zu achten. So sollten wir "Platz" machen, auch wenn es uns aus dem Kreis heraus zugerufen wird. Meine Mitstreiter haben immer versucht, sich mit den Vorderpfoten in den Kreis zu legen.Wohl in der Hoffnung, es falle nicht auf, dass sie die Tabu-Zone umgehen wollen. Sie wurden aber jedesmal aus dem Kreis geschoben. Ich habe es am Schluss auch mal probiert. Worauf die Lehrein mein Frauchen aufforderte, mich zurück zu schieben. Dieses schaute ganz unglücklich auf die 65 kg Lebendgewicht und sagte: "Wenn Sie mir erklären, wie ich das machen soll...". Ich musste dann aufstehen und mich nochmal richtig hinlegen.

Angespornt durch meine Leistungen geht mein Frauchen auch mit Ashley zum Longieren. Sie wurden einer anderen Gruppe als meiner zugeteilt. Ich war nicht dabei, aber auch dort muss es lustig gewesen sein. Ashley erzählte mir, dass, als er er aus dem Auto sprang, ein Raunen durch die Zweibeiner ging. Eine Frau stieg sogar auf Holzpaletten, weil sie Angst vor dem großen Hund hatte. Mein Frauchen dachte erst an einen Scherz, aber die Frau hatte wirklich Angst. Unser Oberlehrer hat sie dann an der Hand genommen und ist mit ihr gemeinsam Ashley streicheln gegangen. Sie hat Ashley mit zittriger Hand am äußersten Ende angefasst, meinem Frauchen hat sie richtig Leid getan.

Beim Longieren musste mein Frauchen erstmal einen Gang runterschalten. Ashley setzte sich an den Kreis und als das Frauchen los lief, dachte er sich wohl: "Jetzt stellen wir uns einmal janz dumm" und blieb sitzen. Nach einer kurzen Motivation trabte Ashley dann hinterher, hatte es aber nicht sehr eilig. Meinem Frauchen wurde bescheinigt, dass es schneller ist als ihre Dogge.

Bei Ashley muss mein Frauchen ihrer Meinung nach die Zügel etwas anziehen, weil er meint, nicht mehr richtig hören zu müssen. Wenn sie ihn ruft, kommt er mal  und mal kommt er nicht (eigentlich kommt er nur noch richtig, wenn sie Butterbrot in der Hand hält). Aber mein Frauchen wäre nicht mein Frauchen, wenn sie sich das gefallen lassen würde. So hat sie angefangen, wieder in Alltgssituationen Unterordnung zu verlangen. Wir müssen in unregelmäßigen Abständen "sitz" vor unseren Näpfen machen, bevor wir uns den Bauch vollschlagen dürfen. Ashley machte das auch, in Zeitlupe, und mit unbeteiligtem Gesicht saß er ... auf einer Aster vom Frauchen, die darauf wartete, im Erdreich versenkt zu werden.

     Da steht die bittre Aloe
     setzt man sich drauf, so tut es weh.
                      Wilhelm Busch 

In unserem Fall hat es aber weniger Ashley als der Aster weh getan. Sie ist zum Bodendecker geworden und der Plastiktopf hat seine zylindrische Form eingebüßt. Mein Frauchen erzählt dann überall, was Ashley doch für ein Tollpatsch sei und was ihm immer so zustieße. Ich dagegen glaube, dass Ashley genau weiß, was er tut. Wir mussten jedenfalls eine Weile nach dem Vorkommnis kein "sitz" mehr vor unserem Napf machen.

Am Dienstag, in Ashleys anderer Gruppe, war auch zum ersten Mal Lisa mit. Sie hat sich zunächst ein wenig in der Ecke verkrochen. Die Zweibeiner waren ganz begeistert von ihr. "Och, wie süß" und "Die sieht aus wie ein Welpe" schallte über das Gelände. Dabei, Poahly, jede Zitze meines Gesäuges hat sich nach innen gestülpt bei der Vorstellung, ein Welpe mit Lisas Zahnstatus und Maulgeruch könnte sich daran vergreifen.

Lisa hat sich neben mich gelegt und das Geschehen verfolgt. Mein Frauchen hatte aber das Gefühl, den ein oder anderen spöttischen Blick im Rücken zu spüren. Lisa hat halt keine Erfahrung, wie viel Spaß man in der Hundeschule haben kann!

Hier habe ich noch ein Gedicht von Wilhelm Busch gefunden, dass zu uns beiden passt:

Früher, da ich unerfahren
Und bescheidner war als heute
Hatten meine höchste Achtung
Andre Leute

Später traf ich auf der Weide
Außer mir noch mehre Kälber
Und nun schätz ich, sozusagen
Erst mich selber 

Wir haben auch allen Grund, uns zu schätzen. Und nicht nur im Vergleich mit Kälbern...

Bis bald
Deine Letti

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