Freitag, 30. Dezember 2011

30.12.2011

Die Menschen glauben, sich mit etwas wichtigem zu befassen, dabei befassen sie sich nur mit Fresserei!
                                               Leo N. Tolstoi

Hi, Poahly,

an der Auswahl meines Einleitungszitates kannst Du feststellen, dass ich seit Weihnachten etwas verstimmt bin. Und die Beschreibung Deines Weihnachtsfestes hat meine Laune auch nicht bessern können. Ich sage nur: "Her mit den Geschenken, wenn Du welche entbehren kannst.". Ich habe nämlich in die Röhre schauen müssen - und damit meine ich leider nicht den Agility-Tunnel, da ja Schulferien sind....

Bei mir war das Weihnachtsfest so was von karg, Du glaubst es nicht. Ich kam nicht mal dazu, eine Figur vom Baum zu zerkauen. Immer war mein Frauchen in der Nähe und ich musste meine Beute sofort wieder ausspucken. Obwohl, Poahly, mein Frauchen müsste ganz still sein. Während sie unseren Baum mit bestem Nippes behängte, kippte die Tanne. Der Engel, der jedes Jahr auf der Spitze gepfählt wurde (und wird), segelte kopfüber auf die Fliesen. Sein Gesicht zerbarst ohne mein Zutun in mehrere Teile. Das Herrchen richtete den Baum wieder auf, und das Frauchen verpasste der ohnehin geschundenen Kreatur ein neues Gesicht. Der Engel trägt jetzt einen Schneeball (den mein Frauchen von der üppigen Tischdekortion stibizt hat) mit außerordentlich viel Engels(-kunst-)haar auf den Schultern. Es ist sicher unnötig, anzumerken, dass dadurch seine Mimik ziemlich ausdruckslos geworden ist. Es gibt also noch ärmere Wichte als mich.

Beim Betrachten des Schauspiels keimte in mir die Frage auf, warum die Menschen sich alljährlich diese Tortur mit den Weihnachtsbäumen antun. Was hat man eigentlich davon, für ca. 14 Tage einen Baum aus dem Wald zu holen und ihn mit Lichtern und Figürchen zu behängen??

Auf der Suche nach einer Antwort bin ich auf Folgendes gestoßen. Der Brauch, zu Weihnachten einen Nadelbaum im Haus aufzustellen, verbreitete sich im 19.Jahrhundert von Deutschland aus in die ganze Welt hinein. Er hat jedoch keinen historisch nachweisbaren Anfang, sondern findet sich in den Sitten unterschiedlichster Kulturen wieder. Immergrüne Pflanzen verkörpern Lebenskraft, darum glaubten die Menschen in früheren Zeiten, sich mit ihnen Gesundheit ins Haus zu holen. Dabei, Poahly, schau Dir doch mal die Bäume an, wenn sie nach zwei Wochen neben der Heizung ihre Nadeln auf den Boden niederregnen lassen. Von Gesundheit keine Spur mehr, echt nicht. Die alten Römer bevorzugten wohl auch deshalb Lorbeer, den konnte man nach dem Schmücken immerhin noch als Gewürz verwenden.

bei uns also auch: Ein Weihnachtsbaum!
Da Nadelbäume in früheren Zeiten in Mitteleuropa eher selten waren, konnten sich nur wohlhabende Haushalte einen Baum leisten. Was bei Zweibeinern immer dazu führt, einen solchen haben zu wollen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts pflanzte man vermehrt Tannen- und Fichtenwälder an. Der Weihnachtsbaum konnte seinen Eroberungsfeldzug in deutsche Wohnzimmer starten.

Und von dort aus ging es ins Ausland:

- Königin Victoria heiratete 1840 Albert von Sachsen-Coburg und Gotha - und der brachte als Mitgift die Pflicht, sich eine Weihnachtstanne aufzustellen, nach London mit.

- 1832 stellte der deutsche Harvard Professor Karl Follen als erster einen Weihnachtsbaum in Cambridge (Massachusetts) auf. Was das für Auswirkungen auf den amerikanischen Stromverbrauch in der Adventszeit hat, kann man sich alle Jahre wieder im Fernsehen anschauen.

In der heutigen Zeit werden die Bäume immer größer und ausgefallener. In Rio de Janeiro haben sie dieses Jahr in einem See ein 85 m hohes Stahlgerüst in Baumform installiert, das 542 Tonnen wiegt und mit 3,3 Mio Glühlämpchen bestückt ist. 1926 wurde vom Präsidenten Coolidgeein 82 m hoher Riesenmammutbaum zum Nation's Christmas Tree gekürt. Das hat aber mit dem urspünglichen Weihnachtsbaum nur noch wenig zu tun.

Kommen wir zum nächsten Punkt: Dem Essen der Zweibeiner.

Mein Festmahl lässt sich am Besten mit den Worten  J.W. von Goethes beschreiben: "Aus Mäßigkeit entspringt reines Glück". Ich teile seine Meinung allerdings nicht. Bei uns gab es an Heiligabend eine Gans. Mein Frauchen hätte sie ja roh lassen können, damit wir Hunde von den rohen Geflügelknochen auch etwas genießen hätten können. Aber nein, die Gans kam in den Ofen und die Knochen waren danach für uns Hunde tabu. Kurzfristig dachte ich sogar, mein Frauchen ist nicht ganz richtig im Kopf, steckte sie der Gans doch eine Wasserflasche in den Bauch. Zum Glück wurde diese aber nach dem Braten wieder entfernt und alle riefen beim Essen "Ah!" und "Lecker!" und "Oh!". Ich kann nicht beurteilen, ob das stimmte....

Und warum werden an Weihnachten so häufig Gänse verspeist (von Zweibeinern jedenfalls)? Diesmal ist's ein katholischer Brauch, man nennt ihn "Martinsgans". Am 11.11. wird der Martinstag begangen, und an diesem Tag gibt es traditionell eine Gans. Weshalb? Weil Gänse das Leben des heiligen Martin beeinflusst haben sollen! Je nachdem, wer die Legende erzählt, haben die Gänse St. Martin gerettet, verraten oder beschmutzt. Und was lernen wir Hunde daraus: Einmal am falschen Ort zur falschen Zeit geschnattert, und schon landen selbst Generationen später noch die eigenen Angehörigen bei den Zweibeinern im Kochtopf! Grauselig... Nach dem Martinstag begann das Adventfasten. Es endete an Heilig Abend. Und weil die Gans am Martinstag so gut geschmeckt hatte, kam zur Feier des Fastenendes nochmal eine Gans auf den Tisch. So schlicht denken Menschen!

Aber die Legenden bzgl. St.Martin sind ohnehin fraglich. Eher zutreffend ist, dass die Martinsgans ein Ergebnis des Lehnswesens ist. Am Martinstag wurde eine Lehnpflicht fällig ("Martinsschoß"), diese bestand häufig aus einer Gans. Der Braten wurde sogleich am Abend des Martinstages vertilgt. Und weil es so gut geschmeckt hat, ist man dabei geblieben.

Bei dem Thema Adventfasten ist mir noch mehr Interessantes in die Krallen gekommen. Fasten war ja vorgeschrieben, aber die Menschen haben allerlei Tricks angewandt, um doch zu ihrem Fleisch zu kommen. Als ihnen die Erlaubnis, Wassertiere während der Fastenzeit zu essen, nicht mehr ausreichte, wurde der Begriff Wassertier immer weiter ausgelegt. Plötzlich gehörten die Enten und Gänse dazu, weil sie auf dem Wasser schwammen. Manche überlegten sich Rezepte mit Biebern. Ein Abt verlor alle Hemmungen und tauchte ein Spanferkel in einem Brunnen unter die Wasseroberfläche. Per Definition war es danach ein Wassertier. Der Abt hatte damit aber überzogen, glaube ich... Und wir zwei sollten uns im nächsten Jahr keine Sorgen machen, wenn wir den Begriff "Hier" oder "Platz" mal etwas großzügiger auslegen!

Vielleicht lag es bei Eurer Weihnachtsfeier weniger an den Getränken, als am Sauerbraten, dass das Fest so lustig war? Die Menschen sagen doch immer: "Sauer macht lustig". Und auch hier kann ich ein Missverständnis ausräumen. Um 1700 herum gab es das altertümliche Sprichwort: "Sauer macht Appetitt". Die Menschen dachten, weil ihnen beim Beißen auf etwas Saures das Wasser im Munde zusammenläuft, sie bekämen Hunger. Aus diesem Spruch wurde "Sauer macht gelüstig", und aus Ungenauigkeiten beim Reden entwickelte sich das heutige "Sauer macht lustig". Wieder können wir Hunde aus den Fehlern der Menschen lernen: Immer auf genaue (Körper-)Sprache achten ist das A und O im Leben. Nur durch Genauigkeit kann das Wissen der Urahnen den Enkeln zugute kommen. Echt!

Bei "Wasser im Munde zusammenlaufen" fällt mir noch eine Kleinigkeit ein. Ich hatte Dir schon vor langer Zeit ein Foto von einem Kunstwerk geschickt, das über unserem Bett hängt. Mein Frauchen stand vor einer Weile kopfschüttelnd vor dem Bild und sagte, dass es mir jetzt noch ähnlicher sehe. Ich habe es mal abfotografiert. Weißt Du, was mein Frauchen mit ihrer Aussage gemeint hat?

Was an diesem Bild ist Letti-typisch?















Zum Abschluss des Jahres hier noch einige Zeilen aus einem Gedicht von Theodor Fontane:

  Und wieder hier draußen ein neues Jahr
  was werden die Tage bringen?!
  wird's werden, wie es immer war
  halb scheitern, halb gelingen?

  Ich möchte noch wirken noch schaffen noch tun
  und atmen eine Weile
  denn um im Grabe auszuruhen
  hat's nimmer Not noch Eile.


Viel Glück im Jahr 2012!


Bis 2012, Poahly,

Deine Letti

PS: Mein Wissen habe ich in Wikipedia gesammelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ein neuer Kommentar für Paul und Letti: